Alte Marschen in Eiderstedt


Eiderstedt gehört zu den ältesten und höchsten Marschlanden. Es wird auch als die Dreilande bezeichnet: Natürlich hoch gewachsene Marschen um Westerhever, von Utholm im Südwesten und das alte Eiderstedt wurden durch Entwässerungsmaßnahmen und Eindeichungen zum heutigen Halbinsel Eiderstedt miteinander verbunden. Köge, die typische Struktur der anthropogen landfest gemachten Marsch, fehlen in diesen alten Marschen. Die hösten und stabilsten Marschteile wurden schon lange vor den ersten Deichen besiedelt. Am Anfang, etwa zeitgleich mit dem alten Rom als Kaiserreich, entstanden Siedlungsplätze ohne Warften. Die Menschen  nutzten die Uferwälle von Prielen um dort ihre Häuser in einer Zeit eher rückgehenden Meeresspiegels etwas erhöht und geschützt gegenüber dem üblichen Überflutungsniveau zu bauen.
Die vor der Bedeichung noch in der Landschaft erkennbare Siedlung auf Warften (oder Wurten) entstand  vermutlich nur mittelbar als Reaktion auf einen wieder steigenden Meeresspiegel und Sturmflutgefahr. Das übliche Ende eines Hauses war der Brand, das Haus wurde niedergerissen und über den Resten wurde der Neubau errichtet. Dass sich die Erhöhung des Siedelplatzes auch als Schutzmaßnahme gegen Überflutungen eignet führte nicht direkt zu gezielten Aufschüttungen. Erst später läßt sich nachweisen, dass die Wohnhügel gezielt aufschüttet wurden.

Foto: Kohlus, 1998. Strukturen der alten Marsch am Rande des Katinger Watt.

Die wellige Struktur der natürlich entstandenen Marschen nördlich von Kating geht auf die alte Entwässerungstechnik des Grüppens zurück. Auch wenn alte Getreidesorten recht stabil gegen Bodensalzgehalt, Winterüberflutungen und Feuchte waren, dürfte das südliche Eiderstedt meist vorwiegend als Viehweide genutzt worden sein. Der Ackerbau war auf das zentrale Eiderstedt, das höher über alten Strandwällen liegt, konzentriert.
Wohlstand und Entwicklung der Viehwirtschaft begann mit der systematischen und subventionieren staatlichen Förderung sowie der Ansiedlung  holländischer Fachkräfte. Während der Kontinentalsperre durch Napoleon wurde Eiderstedt durch den Fleischexport eine wichtige und reiche Region. Die Produktion besonders schmackhaften und qualitativ hochwertigen Ochsenfleisches wurde zum Markenzeichen Eiderstedts.

Im letzten Viertel des 20. Jh. wurde die Ochsen durch die weniger aufwendige Bullenmast verdrängt. Die Höfe Eiderstedts waren im Vergleich der Bewirtschaftungsfläche groß und die meisten Landwirte unterstützten den für sie wirtschaftlich vorteilhaften Wettlauf  der Subvention von Produktion. Umstrukturierung und Erweiterung der Hofflächen in anderen Teilen der alten Bundesrepublik, Preisverfall des Fleisches und dann die Wiedervereinigung mit den sich stabilisierenden Großbetrieben im deutschen Osten nahmen ihnen den Vorsprung. BSE wurde ein weiterer Schlag. Verkauft wird bis heute vorwiegend ungetestetes Fleisch von Rindern aus der Schnellmast, für reine Grünlandbetriebe wurde der Spielraum immer kleiner.
Das Eiderstedt der Wiesenvögel
Foto: Kohlus, 1998. Das Eiderstedt der Wiesenvögel mit Schaf- und Rinderbeweidung wird vielleicht bald verloren sein.
Foto: Kohlus, 2008: Einer der entstandenen Maisäcker, 200 m weiter.


Seit etwa 2002 gibt es erprobte Versuche eine neue Maisart auch in der Marsch anbauen zu können. Mais ist Futter für die artfremde Fleischproduktion im Stall und verträgt nicht nur konzentrierte Gülle sondern wächst als C4-Pflanze dadurch sogar noch stärker. Statt Wiesen Maisäcker und Güllegestank neben Maststellen ist nur eine Perspektive für ein paar wenige im Produktionswettlauf überlebende Landwirte.

Maisacker - Landschaftsbild der Zukunft Foto: Kohlus, 2008: Maisacker bei Kating.

Eiderstedt ist als einzigartiges strukturreiches Wiesenland nicht einfach platt und langweilig. Das touristische Potential der Landschaft wird bis heute kaum verstanden und ausgeschöpft. Der geringe Mittelrücklauf über Bauernhof-Urlaub ist für die meisen Landwirte kein Ersatz für eher rückläufige Produkteinnahmen. Bereits die Intensivierung der Wiesenlandnutzung hat dem Mekka der immer seltener werdenden Wiesenvögel starkt geschadet, nach jahrelangen Diskussionen wurde Eiderstedt 2004 als EU-Vogelschutzgebiet nach der FFH-Richtlinie ausgewiesen.

Lokal wird dagegen sehr populistisch, rabiat und unsachlich gestritten. Diskussionsansätze lokaler Naturschützer werden ignoriert und ihre eigentlichen Nöte und Interessen werden von den Gegnern des Schutzgebietes kaum genannt. Lösungsunfähig droht Landwirten wie Wiesenvögeln das Aussterben und die Landschaft Eiderstedt wird zum Schaden aller Bewohner an Eigenheit verlieren.

Virtuelles Tönning  Virtuelles Katinger Watt   ©Kohlus 1998-2004   Update vom 26.09.2004, 14.01.2008